Slowenien? und das mit dem Fahrrad?
Skepsis war in den meisten Gesichtern bei unseren - v.a. Jennys - Reiseplanungen zu erkennen. Die aktuell (vermutl. Stand 2011) gekaufte 1:200.000-Karte von freytag & berndt zeigt sehr viele kleine weiße und viele mittlere gelbe und orange farbige Wege. Nach unseren Erfahrungen in anderen Ländern sollten sich diese Wege zum Radeln eignen. Google Maps zeigt noch mehr kleine weiße Wege, auf denen Jenny ein paar Routen geplant hat falls der Verkehr zu stark sein sollte. Zur Sicherheit haben wir eine aktuelle OSM-Karte auf unser Garmin GPSmap 60CSx geladen.
Der Campingplatz in Villach nimmt uns nach der Anreise mit dem Zug auf und bietet einen warmen See, den wir zum Start in den Tag bebaden. So lässt sich der ständige Lärm der Nacht von der nahen Schnellstraße besser weg stecken. Wir folgen der Drau bis auf einmal sowohl eine Brücke als auch eine Umleitung fehlen. In Dullach campen wir im ruhigen Nichts.
Auf nach Slowenien und zur europäischen Kulturhauptstadt Maribor! Unterwegs überrascht uns das Privatmuseum Liaunig im beschaulichen Neuhaus, wo wir beim Besuch auf Tuchfühlung mit moderner Kunst kommen. So nah wäre man dieser in einem öffentlichen Museum nie gekommen. Nach dem heißen Tag und den entspannten Stopps zieht sich die Strecke und bei unserer Ankunft in Maribor sind wir und unsere Beine müde. Am nächsten Morgen erfahren wir, dass gestern Abend eines der beeindruckendsten Feste des Kulturhauptstadtjahres mit einem Höhepunkt zu Ende gegangen ist. Heute Morgen scheint die Stadt eher verkatert und verschlossen - alle Geschäfte und die Touriinfo zu. Ptuj erreichen wir am Mittag und fühlen uns in diesem schönen Städtchen viel willkommener.
Es wird immer wärmer und die Anstiege auf den kleinen weißen und kaum befahrenen Straßen auf unserer Papier-Landkarte haben es in sich. Diese Straßen scheinen größtenteils sehr frisch asphaltiert - ca. seit Sloweniens EU-Beitritt. Die Mini-Wege von Google-Adventure-Routing sind etwas für Abenteurer, die nicht so weit fahren wollen. Als es uns zu steil wird, nehmen wir auch mal eine orange farbige Straße: ebenfalls wenig befahren und dafür flacher. Die Angaben zum Verkehr scheinen auf der OSM-Karte besser als auf der Papier-Karte. Nach der Anstrengung kommen die Thermen in Terme Olimia gerade recht.
Baden im Fluss ist in Slowenien eine tolle Sache: Die Krka führt sehr klares, warmes Wasser und in mehreren Orten baden die Anwohner im warmen Nass. In Konstanjevica na Kriki kühlen wir uns ab und beobachten wie sich Kinder am Lianen-ähnlichen Seil ins Wasser schwingen. Hier ist es so naturbelassen wie in den Pippi-Langstrumpf-Filmen. In Otocec bleiben wir auf einem kleinen, sehr schönen Campingplatz direkt an der Krka unweit des Wasserschlosses. Beim kühlen Bier beobachten wir Fische, Schwäne, Enten und ein Otter - sehr entspannt. Es ist so warm, dass trotz der Wasser-Nähe am nächsten Morgen das Zelt komplett trocken ist.
Weiter an der Krka stoppen wir an einer Badestelle mit Sprungturm in Sadinja vas pri Dvoru - bisher das beeindruckendste Naturschwimmbad mit Stromschnelle und Wasserfall. Wir springen mehrfach uns Nass und genießen die natürliche Rückenmassagedüse, die Dorfjugend macht Saltos und ein Hund badet mit viel Freude und Ausdauer. Es zieht ein Sommergewitter auf: abkühlende kräftige Duschen warten wir im Bushäuschen ab und stören nicht an etwas feuchter Luft. Der nächste Campingplatz liegt laut Karte direkt an der Autobahn, also campieren wir lieber an einer der Krka-Quellen nach Anmeldung bei Dorfbewohnern.
Bären waren uns für die folgenden Kilometer in Richtung Westen angekündigt. Die Wege durch das Naturschutzgebiet sehen auch so aus als ob hier welche leben würden, uns begegnen jedoch nur deren Abbilder aus Holz am Straßenrand. Unterwegs sind die vielen Tropfsteinhöhlen das Landes beworben. Also besuchen wir eine, die Pivka Jama mit angeschlossenem Waldcampingplatz. Der Waschmaschinen-Service dort klingt verlockend, leider zerstört er all unser Elastik-Fasern.
Lipizzaner sollen besonders gut mit unebenem Untergrund zurechtkommen. Das liegt wohl auch daran, dass sie vier Jahre lang relativ frei in der Karstlandschaft des Gestüts leben dürfen bevor deren Training zu Dressurpferden beginnt. Nach der Führung dort fahren wir hinab nach Triest und nutzen unseren ersten Bahnradweg der Urlaubsrundreise: schwungvoll auf Asphalt über Brücken und durch Tunnel ohne Autoverkehr. Genauso weiterfahren wollen wir auf dem Bahnradweg "Parenzana" oder "TPC" - Trieste-Parenzo-Canfanaro. In Triest warnt uns eine Autofahrerin, der Weg sei gesperrt. Und so ist es auch. Der italienische Teil des Freundschaftsradwegs Parenzana, der Italien mit Slowenien und Kroatien verbinden soll, ist nicht vorhanden - ein schlechtes Omen?
Bewacht wird die italienisch-slowenische Grenze nur von einem slowenischen Ziegenbock, der uns nach kurzem Diskurs den Weg frei macht zu einem super ausgebauten Asphalt-Fahrradweg entlang der Küste. Leider ist der kleine Campingplatz in Fiesa vor Piran überfüllt (vorher zeitig anrufen!), sodass wir im Dunklen in Lucija campen müssen: Remmie-Demmie die ganze Nacht. Wir bleiben trotzdem einen Ruhetag dort um in der Adria zu baden und das Städtchen Piran anzuschauen.
Ähnlich wie Lipizzaner beweisen auch wir unsere Hubbelfestigkeit auf dem Parenzana-Radweg in Kroatien. Fast ausschließlich auf dem Originalfundament führt der Weg gut ausgeschildert auf feinem und grobem Schotter über Berge im Inland, durch mehrere Tunnel und über Viadukte. Hier erfahren wir, dass die Bahn 1902-1935 zum Salz- und Personentransport betrieben wurde aber so langsam war, dass immer viele blinde Passagiere aufsprangen.
Nach diesen reizvollen Aussichten auf wenig ausgetretenen Wegen geht es an die istrische Adria nach Novigrad, wo das ADAC-Symbol am Eingang des Mega-Campingplatzes nichts Gutes erahnen lässt. Allerdings beweist das Duo in der Strandbar Stil und beendet die Vorstellung pünktlich, sodass wir entspannt in den nächsten Tag starten.
Da wir nicht auf die Küstenstraße wollen und Triest keinen guten Eindruck bei uns hinterlassen hat, strampeln wir im Inland nach Norden. Nach einem kurzen Stück Istrien schrauben wir uns mit Gegenwind die Serpentinen hoch. Vorbei an einer weiteren Tropfsteinhöhle kommen wir auf einem rudimentären Weiden-Campingplatz unter. Da wir verpasst haben Nudelsoße zu kaufen, gibt es Restesoße - eine angenehme Abwechslung.
Nun geht es mit Hilfe weiter: zuerst helfen uns die Höhenmeter im Wettstreit mit dem Gegenwind, dann müssen unsere Beine selbst ran und anschließend nehmen wir ab Nova Gorica nach Bohinjska Bistrica den Zug. Die Triebwagen auf dieser Strecke sind klein, haben aber Gepäckabteile und sehr hilfreiche Zugbegleiter. In sehr kurzer Zeit sind wir verladen, um den 1843m hohen Crna prst zu durchtunneln.
Der Triglav (gesprochen "Triglau") Nationalpark lockt uns am Ruhetag zum Canyoning. Wir werden in Neopren verpackt und laufen einen Bachlauf hinunter. An den sehr steilen Stellen werden wir abgeseilt oder rutschen das Flussbett hinunter. Diese "Ruhetag"-Aktivität erzeugt nachhaltig Muskelkater. Wir wollen den Nationalpark weiter erkunden und fahren nach Bled, wo einer der wohl am meisten photographiertesten Alpenseen mit ständig bimmelnder Kirche liegt. Beim Badehose An- und Ausziehen sind wir sicher auch aus einem Bus, einer Touristenbahn oder einem Auto heraus mehrfach abgelichtet worden.
Den nächsten Bahnradweg soll es ab Jesenice geben, allerdings verfehlen wir den Einsteig zum Lückenschluss. Auf dem gut ausgebauten Teil fahren wir nach Spik / Gozd Martuljek, wo der Campingplatz leider dicht gemacht und sich in ein Luxushotel verwandelt hat. Auch der Weg zum Wasserfall hat leider wegen Erdrutsch geschlossen. So wandern wir außen herum und finden den angepeilten Cache am imposanten Wassergetose doch. Ein paar Orte zurück auf dem Bahnradweg ist der Campingplatz Mojstrana Dovje, der erstmals weniger als 10 EUR pro Person und Nacht verlangt.
Der Vrsic-Pass hat es in sich: über 18% Steigung und gepflasterte Kehren zwingen uns nach 2/3 des Aufstiegs zum Schieben. Bergab halten wir mehrfach zum Bremsen-Abkühlen und Gucken. Der erste Weltkrieg hat hier viele Spuren hinterlassen. Der oben erwähnte Tunnel unter dem Crna prst bildete eine Versorgungslinie der Front im Krieg von K&K gegen Italien. Über den Vrsic-Pass ging es mit einer Seilbahn mit vielen Motorstationen, deren Fundamente noch immer an Stellen mit tollem Ausblick stehen.
Wir stoppen an einem Bauernhof-Campingplatz an der Soca in Soca. Dort gibt es einen wilden Fluss, Schafe, Schafskäse, Kühe, Katzen, einen Esel, eine Feuerstelle und jede Menge Schaukeln inkl. Hängematte. Unsere Ruhetagwanderung führt uns entlang der Soca und deren imposante Trogschluchten. An einer breiteren Stelle springen wir mehrfach ins Nass - und sind jedes Mal sehr schnell wieder draußen. Die Wettervorhersage für die Nacht ist unwetterig und nach den Schilderungen andere Camper von Tischtennisball-großen Hagelkörnern und 20cm Niederschlagshöhe letzte Woche, ziehen wir ein Matratzenlager dem Zelt vor. Wetter ist immer: die Nacht ist trocken und es regnet den ganzen Folgetag. Wir lösen Rätsel, faulenzen, essen im Bauern-Restaurant und schlafen noch eine Nacht im Matratzenlager.
Nun müssen wir flink über den Predel-Pass und nach Villach, um morgen den Zug zurück zu nehmen. Berg runter ist es kalt. Von Italien zurück nach Österreich nehmen wir wieder ein Stück Bahnradweg, den Alpe-Adria-Radweg. Erstaunlich für uns: nicht nur in Slowenien quasi überall, auch teilweise in Österreich haben die Supermärkte Sonntag geöffnet.
Fazit: 17 Tage (ent)spannende Reise mit sehr unterschiedlichen, oft scheinbar unberührten Landschaften von "Steiermark" über Adria bis Alpen. Slowenien setzt auf Individual-Tourismus, denn es gibt nur wenig Industrie. Der Umsatz muss also in der Saison gemacht werden und die Preise sind daher in etwa auf deutschem Niveau.